Tödlicher Start mit «Nose-up»-Trimm

Der Flug mit einer Cessna 172 S endete für den Piloten und seinen Passagier schon wenige Sekunden nach dem Start tödlich. Die Untersuchung ergab, dass die Cessna komplett auf «Nose-up» vertrimmt war. Wie konnte es dazu kommen?

Am 4. Juli 2018, einem schönen Sommermorgen, startete ein 53-jähriger Pilot mit seinem Schwager als Passagier vom niederösterreichischen Flugplatz Vöslau für einen Privatflug nach Wels. Bei dem in Frankreich immatrikulierten Luftfahrzeug handelte es sich um eine Cessna 172 S, die mit einem Garmin G1000 mit Autopilot GFC 700 ausgestattet war. Der Pilot verfügte über eine Gesamtflugerfahrung von 160 Stunden, davon 35 Stunden auf dem Flugzeugtyp.

Innert Sekunden ein Strömungsabriss

Um 08.10 Uhr rollte die Cessna auf der Hartbelagpiste 31L an. Unmittelbar nach dem Abheben ging das Luftfahrzeug in einen immer steiler werdenden Steigflug über, der innert Sekunden zu einem Strömungsabriss führte. Die Cessna kippte über die rechte Tragfläche ab und stürzte daraufhin in einem fast senkrechten Winkel mit voller Motorleistung ab. Die beiden Flugzeuginsassen wurden durch die Wucht des Aufpralls getötet, die Cessna erlitt Totalschaden. Der Unfallhergang wurde vom diensthabenden Betriebsleiter des Flugplatzes Vöslau beobachtet, der sofort die Alarmierung der Rettungskräfte in Gang setzte.

Die Experten der Österreichischen Sicherheitsunter­suchungsstelle des Bundes (SUB) nahmen erste Untersuchungen vor Ort vor, bevor das Wrack in einen Hangar in Vöslau verbracht wurde. Die ersten Untersuchungsergebnisse ergaben, dass die Trimmung des Höhenruders komplett auf «Nose-up» stand, das Flugzeug also völlig hecklastig war. Dies wurde durch Vergleichsmessungen des Ausschlagwinkels des Trimmruders und auch durch Vergleich der Position des Betätigungsmechanismus desselben, welcher sich in der rechten Flosse des Höhenleitwerks befindet, mit einem baugleichen Luftfahrzeug des gleichen Typs eindeutig belegt. Sowohl die Untersuchung der Steuergestänge wie auch der Schwerpunktlage ergab keine Auffälligkeiten.

Pilot: Als umsichtige Person bekannt

Weshalb aber war das Flugzeug für die Startphase derart vertrimmt? Gemäss einer Befragung der Vereinsmitglieder handelte es sich beim verunfallten Piloten um eine sehr umsichtige Person. Dass dieser beim Start die Checkliste nicht richtig abgearbeitet hatte, konnte sich kaum jemand vorstellen. Die verunfallte Cessna 172 S war am Vortag für zwei Schulungsflüge eingesetzt worden; dabei wurden keine Probleme festgestellt.

Die Trimmung lässt sich manuell mittels Trimmrad, welches sich mittig zwischen den beiden vorderen Sitzen im Bereich unter der Avionik- bzw. Instrumentenkonsole befindet, sowie auch mittels elektrischer Trimmungsverstellung MET, welche sich links am Steuerhorn des Piloten befindet, verstellen bzw. betätigen. Die Trimmung wird auch vom Autopiloten verwendet, um die gewünschte voreingestellte Flughöhe und die Vertikal­geschwindigkeit (Steigen oder Sinken des Luftfahrzeugs) zu ­halten.

Passagier: Wohin mit den Händen?

Im Laufe der weiteren Ermittlungen ging die SUB von der Annahme eines «Trim-runaway» aus. Dies würde bedeuten, dass sich der Trimm des Flugzeugs während dem Rollvorgang bzw. in der Startphase selbständig verstellt hat. Dass der Pilot in den wenigen Sekunden vor dem Strömungsabriss nicht versucht hatte, sein Luftfahrzeug zu stabilisieren, führen die Untersucher auf den «Startle-Effect» zurück, also den Schreckmoment, der auch als Skybrary beschrieben ist. In diesem Zusammenhang prüfte die SUB auch die Möglichkeit, ob der Passagier aufgrund des Schreckmoments sich am Steuerhorn festgehalten hat. Der «Passenger Briefing Card» des Herstellers Cessna für das betreffende Luftfahrzeug, wie auch vereinsinternen Papieren sind keine Informa­tionen zu entnehmen, wo und wie sich Passagiere in solch prekären und plötzlich auftretenden Flugsituationen festhalten sollen bzw. können und dürfen. Hier ortet die SUB in einer Sicherheitsempfehlung Handlungsbedarf für den Hersteller Cessna.

Autopilot vor Start nicht ausgeschaltet?

Die SUB nahm Versuche mit baugleichen Luftfahrzeugen vor, bei denen der Autopilot entgegen der Checkliste vor dem Start nicht ausgeschaltet wurde. Dabei ergab sich in mehreren Fällen sowohl beim Stillstand wie beim Rollen ein «Trim-runaway», wobei es bei dieser Ausrüstung des Flugzeugs nicht zu einer akustischen oder optischen Warnung kam. Bei einer anderen Ausrüstung hingegen erfolgte bei der gleichen Simulation der akustische Warnhinweis «Trim in Motion, Trim in Motion». In ihren Sicherheitsempfehlungen richtet sich die SUB sowohl an Cessna wie an Garmin, entsprechende Warnhinweise im AFM zu ergänzen bzw. eine akustische oder optische Warnung vorzusehen, falls die elektrische Trimmung aus dem Ruder läuft.

Interessanterweise unterstützt die US-amerikanische Untersuchungsbehörde NTSB die Sicherheitsempfehlungen der SUB nicht, wie einem dem Bericht beigefügten Schreiben entnommen werden kann. Im Schlussbericht werden als wahrscheinliche Faktoren, die zum Unfall führten, ein «möglicherweise nicht deaktivierter Autopilot beim Start oder ein temporär aufgetretener Fehler im System der elektrischen Trimmverstellung» aufgeführt.

Thema für Season Opener

Eine weitere Massnahme betraf nach Abschluss der technischen Untersuchung eine Rücksprache mit der Austro Control GmbH. Dabei geht es um das genaue Abarbeiten von Checklisten sowie die Kontrolle der elektrischen Trimmung vor dem Start. Der Unfall vom 4. Juli 2018 führte in Österreich dazu, dass das Thema von Austro Control bei ihren Season Opener aufgenommen wurde. /UH

Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes SUB

Unfall mit dem Motorflugzeug der Type Cessna 172 S am 04.07.2018, um ca. 08:12 Uhr UTC am Flugplatz Vöslau – LOAV, Gemeinde Kottingbrunn, A-2542, Niederösterreich.